#12 ascolta Akusmatische Hörstunde

Institute for Computer Music and Sound Technology / (ICST) Zurich University of the Art

Georg Katzer


Konzert
22.10.2024, 18:00
Toni-Areal, Kompositionsstudio 3.D02, Ebene 3, Pfingstweidstrasse 96, Zürich
Eintritt frei

Programm:


Steinelied 2

2010
10'

Notes:

Steinelied 2
In a cloud chamber, ionising radiation leaves a condensation trail with tiny water droplets, thus making the particle ‘visible’. Likewise, the ‘stones’, namely the silicon crystals of the computer, leave small ‘droplet-shaped’ sound events as they rush through the time-tone space in the computer I programmed.
Between the mostly impulsive sounds, a short tonal structure emerges several times, as if from a distance, perforated by the impulsive sounds.
It is reminiscent of a scent ‘from distant planets’, that of a bygone tonal music. In any case, it was just as welcome to me as the sometimes ‘dirty sounds’, which I did not try to embellish. And everything is shrouded in a ‘blue fog’.
The piece is not composed with a climax in mind; rather, it remains static, revolving around itself, almost meditative.

2010, composer's studio


Notes:
Steinelied 2 2010In einer Nebelkammer hinterlässt eine ionisierende Strahlung einen Kondensstreifen mit winzigen Wassertröpfchen und macht so das Teilchen "sichtbar". Ebenso hinterlassen die "Steine", nämlich die Siliziumkristalle des Computers kleine "tröpfchenförmige" Klangereignisse beim Durcheilen des Zeit-Tonraumes in dem von mir programmierten Computer. Zwischen den meist impulshaften Klängen taucht wie „aus der Ferne" mehrmals ein kurzes tonales Gebilde auf, von den Impulsklängen wie durchlöchert. Erinnerung an einen Duft „von fernen Planeten", den einer vergangenen tonalen Musik. Es war mir jedenfalls ebenso willkommen wie die z.T. „schmutzigen Klänge", die ich nicht versucht habe zu schönen. Und alles ist in einen „blauen Nebel" gehüllt. Das Stück ist nicht auf Höhepunkte hin komponiert, es bleibt vielmehr statisch, in sich selbst kreisend, fast meditativ.
2010, Studio des Komponisten


Preußisch Blau. Tagtraum. Erinnerung

2008
12'26''

Notes:

Like the deep blue of Yves Klein, my little clouds, which swim through my mind between waking and sleeping, with memories of those years in that city, in that bygone country. With the blue clouds come back the images, the pale reproductions of which spread in my subconscious, turn insistently around each other and bore themselves into my brain. But: the film is running backwards. The contours fade, at the end only blue, Prussian blue, Berlin blue.
The piece is also a reminder of a bygone technology with room-filling devices, space-consuming tape loops and the eternal struggle with noise. So in the piece analogue and digital sounds and signals mix.
The colouring agent was given the name Prussian Blue in the 18th century because it was used primarily to dye the Prussian uniform coats.

Studio GMEB, Bourges 1979/Studio of the composer 2008




Notes:

Wie das satte Blau von Ives Klein meine Wölkchen, die zwischen wachen und schlafen durch den Kopf schwimmen mit den Erinnerungen an jene Jahre in dieser Stadt, in jenem vergangenen Land. Mit den blauen Wolken kommen die Bilder zurück, deren blasse Repros, die sich breit machen in meinem Halbbewußtsein, die sich ostinat umeinander drehen und sich unabweisbar ins Gehirn bohren. Doch: Der Film läuft rückwärts. Es blassen die Konturen, am Ende nur Blau, Preußisch Blau, Berliner Blau.
Das Stück ist eine Erinnerung auch an eine vergangene Technik mit zimmer-füllenden Geräten, raumgreifenden Bandschleifen und dem ewigen Kampf mit dem Rauschen. So mischen sich in dem Stück analoge und digitale Klänge und Signale.
Den Namen Preußisch Blau erhielt der Farbstoff im 18. Jahrhundert, weil er vor allem zum Färben der preußischen Uniformröcke benutzt wurde.

Studio GMEB, Bourges 1979/Studio des Komponisten 2008




AideMemoire

1985
14'30''


Notes:
In addition to entertainment, tape music can also serve the larger goal of documentation, either intact, as in Luc Ferrari's rural pastorals, or staged, as in Katzer's portrait of the horrific rise of Nazi intolerance. Katzer's collage, created at GDR radio, uses Nazi speeches, mass scenes and historical music and was put together for broadcast on the 50th anniversary of Hitler's rise to power.
The surface noise of the 78s is an integral element of the composition, telling us that the presented evidence is historical, but the danger is very present. Those who want to avoid devaluing terms such as equality and freedom in pithy pathos should pay attention to how cautiously and critically Georg Katzer addresses and sings about them.




Notes:
Neben der Unterhaltung kann Tonbandmusik auch dem größeren Ziel der Dokumentation dienen, entweder intakt, wie in den ländlichen Pastoralen von Luc Ferrari, oder inszeniert, wie in Katzers Porträt des entsetzlichen Aufstiegs der Nazi-Intoleranz. Katzers beim DDR-Rundfunk entstandene Collage verwendet Nazi-Reden, Massenszenen und historische Musik und wurde für die Ausstrahlung am 50. Jahrestag von Hitlers Machtübernahme zusammengestellt.
Das Oberflächenrauschen der 78er ein integrales Element der Komposition, das uns sagt, dass die präsentierten Beweise historisch sind, aber die Gefahr ist sehr gegenwärtig. Wer es vermeiden will, Begriffe wie Gleichheit und Freiheit in markigem Pathos zu entwerten, der sollte darauf achten, wie behutsam und kritisch Georg Katzer sie anspricht und besingt.



"Les paysages fleurissants" (Die blühenden Landschaften)

2000
12'30''

Notes:

The troubles of the beginning, the constant failure, the falling back into beautiful melancholy, resignation, silence, the musical signals evaporate in the noise.
The short piece is made entirely from two familiar noises and is thus in the tradition of musique concrète.
The piece was created at a time when there was not yet much to be seen of the ‘blooming landscapes’.

2000, Studio GMEB Bourses



Notes:

Die Mühen des Beginnes, das ständige Scheitern, das Zurückfallen in die schöne Melancholie, Resignation, Schweigen, die musikalischen Signale verflüchtigen sich im Rauschen. Das kurze Stück ist ganz aus zwei jedem bekannten Geräuschen gewonnen und steht also in der Tradition der musique concrête.Das Stück entstand zu einer Zeit als von den "blühenden Landschaften" noch nicht viel zu sehen war.
2000, Studio GMEB Bourses


Steinelied 1

1984/1988
11:03

Notes:

‘Steine-Lied’ is a computer composition. A mainframe computer, equipped with a specific program package (a VAX with the program "Chant" developed at
IRCAM / Paris), calculated musical orders and sounds (based on prime number ratios) according to the composer's specifications and also made them sound.
The title means that it is the stones, the silicon crystals, that sing, as if they wanted to become subjects rather than objects, living rather than dead matter.
In 1984, I received an invitation to the EMS studio in Stockholm and produced my first computer composition there, using only synthetic sounds.
A special feature of the piece is that I only used frequencies that represent themselves in prime numbers (with the exception of a tonal section in just intonation). The title refers to the material of the chips, silicon, the most abundant element in our earth's mantle, and to the attempt to make the stones, i.e. the chips, sing.
At that time, programming was still extremely laborious and waiting for the sound results was exhausting, so I was able to work on a string quartet ‘on the side’.
In the years that followed, I used the experience I had gained there to develop a computer programme that I had developed myself, a self-organising compositional process that generates musical sequences based on controlled randomness. This resulted in Steinelied 2 in 2010. From then on, the composer's work consisted of selecting from the recorded sounds and composing them.
Quelle: EMDocu (erstellt: 25.08.1993 Source: Ruschkowski-Kartei 1989)



Notes:

„Steine-Lied" ist eine Computer-Komposition. Ein Großrechner, ausgerüstet mit einem bestimmten Programm-Paket (es war eine VAX mit dem im IRCAM / Paris entwickelten Programm „Chant") berechnete nach der Vorgabe des Komponisten musikalische Ordnungen und Klänge (auf der Grundlage von Primzahl-Verhältnissen) und bringt diese auch zum Klingen.
Der Titel will sagen, es sind die Steine, also die Silizium-Kristalle, welche singen, so als ob sie von Objekten zu Subjekten, von toter zu lebender Materie werden wollten.
Im Jahre 1984 bekam ich eine Einladung an das Studio EMS in Stockholm und produzierte dort meine erste Computerkomposition, in der ich ausschließlich synthetische Klänge verwendete. Eine Besonderheit des Stücks besteht darin, dass ich als Frequenzen (mit der Ausnahme eines tonalen Abschnitts in reiner Stimmung) nur solche verwendete, die sich in Primzahlen repräsentieren. Der Titel verweist auf das Material der Chips, das Silizium, das häufigste Element unseres Erdmantels und meint den Versuch, die Steine, also die Chips, zum Singen zu bringen. Die Programmierung war damals noch außerordentlich mühsam und das Warten auf die Klangergebnisse zermürbend, sodass ich „nebenher" ein Streichquartett konzipieren konnte.
In den darauffolgenden Jahren habe ich auf der Grundlage der dort gemachten Erfahrungen mit einem von mir entwickelten Computerprogramm ein sich selbst organisierendes Kompositionsverfahren entwickelt, das auf der Grundlage einer gesteuerten Aleatorik musikalische Abläufe generiert. Daraus entstand 2010 Steinelied 2. Die Arbeit des Komponisten bestand nunmehr darin, aus den aufgezeichneten Klängen eine Auswahl zu treffen und sie zu com-ponieren.
Quelle: EMDocu (erstellt: 25.08.1993 Source: Ruschkowski-Kartei 1989)


Georg Katzer, 1935 in Niederschlesien geboren und 2019 in Zeuthen gestorben, gilt als einer der bedeuteten Komponisten der ostdeutschen Schule. Katzer, der Meisterschüler von Hanns Eisler war, hinterliess ein umfangreiches Oeuvre an Orchester-, Instrumental- und Filmmusik sowie Hörspiele. Dieses Porträt widmet sich Georg Katzer als Pionier der elektroakustischen Musik.
1978 wurde Katzer zum Mitglied der Akademie der Künste in Ostberlin gewählt. 1982 gründete er das der Musikabteilung der Akademie der Künste angegliederte Studio für Elektroakustische Musik "Studio für Elektroakustische Musik", dessen künstlerischer Leiter er bis 2005 war.

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